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EU veröffentlicht Maßnahmenpaket zu Sustainable Finance und Nachhaltigkeitsberichterstattung
Mit einer Konkretisierung der Sustainable Finance-Taxonomie und einem Vorschlag für eine neue CSR-Richtlinie zur Berichterstattung treibt die EU die Sustainable Finance-Initiative weiter voran.
Für die Ziele der Sustainable Finance-Taxonomie zum Klimawandel hat Brüssel sich auf einen Katalog an infrage kommenden wirtschaftlichen Aktivitäten und auf technische Screening-Kriterien zur Klassifizierung als nachhaltige Aktivitäten geeinigt.
Der Vorschlag der EU für eine neue CSR-Richtlinie erweitert den Anwenderkreis für die verpflichtende Nachhaltigkeitsberichterstattung, konkretisiert deren inhaltlichen Anforderungen und verschärft die Vorgaben für Format und Prüfung.
Am 21. April 2021 hat die EU ein Maßnahmenpaket veröffentlicht, das einen weiteren wichtigen Schritt auf dem Weg zu einer nachhaltigen Finanzwirtschaft darstellt. Darin enthalten ist unter anderem eine Konkretisierung zur Sustainable Finance-Taxonomie, um die Identifikation nachhaltiger Aktivitäten mit Klimabezug zu standardisieren. Zudem enthält das Paket einen Vorschlag zur Änderung der CSR-Richtlinie, welcher die bestehende Nachhaltigkeitsberichterstattung erweitert. Darüber hinaus enthält das Maßnahmenpaket noch Rechtsakte zu treuhänderischen Pflichten, Anlage- und Versicherungsberatung.
Insbesondere die beiden erstgenannten Maßnahmen tragen wesentlich zur Sustainable Finance-Initiative der EU bei. So hatte Brüssel mit dem European Green Deal zuletzt eine nachhaltige Wachstumsstrategie ausgegeben, die das Ziel enthält, die EU bis 2050 klimaneutral zu gestalten und darüber hinaus das Wirtschaftswachstum von Ressourcenverbrauch zu entkoppeln, natürliches Kapital zu bewahren und Menschen vor Umweltrisiken und -auswirkungen zu schützen. Um eine Emissionsreduktion von 40% bis 2030 zu erreichen, sind nach Schätzungen der Europäischen Kommission 260 Milliarden Euro an zusätzlichen jährlichen Investitionen notwendig. Die Ziele will die EU vor allem dadurch erreichen, dass sie über die Finanzwirtschaft Gelder in nachhaltige Aktivitäten lenkt. Das nun veröffentlichte Maßnahmenpaket stellt einen wichtigen Beitrag für den Übergang in Richtung zu einer nachhaltigen Finanzwirtschaft dar, indem es insbesondere die Verlässlichkeit und Vergleichbarkeit von Nachhaltigkeitsinformationen stärkt und dadurch Greenwashing vorbeugt.
„Es ist doch so: Nur das, was man misst und erfasst, kann man auch erfolgreich steuern. Deshalb wird sich auch durch gestiegene Offenlegungspflichten das unternehmerische Verhalten ändern – davon bin ich fest überzeugt. Nur so lassen sich die ehrgeizigen Nachhaltigkeitsziele der EU erreichen.“
Philipp Killius, Partner, Head of ESG/Sustainability
TECHNISCHE SCREENING-KRITERIEN ZUR SUSTAINABLE FINANCE-TAXONOMIE
Mit der Sustainable Finance-Taxonomie hat die EU sechs Ziele definiert, anhand derer sich wirtschaftliche Aktivitäten von Unternehmen als nachhaltig einstufen lassen. Dabei liegt der aktuelle Fokus zunächst auf den ersten beiden Zielen: Eindämmung des Klimawandels sowie Anpassung an den Klimawandel. Die Taxonomie soll ein gemeinsames Verständnis für Unternehmen und Investoren über wirtschaftliche Aktivitäten mit positivem Einfluss auf Klima und Umwelt schaffen. Darüber hinaus führt die Taxonomie auch verschiedene Offenlegungspflichten für Unternehmen und Finanzmarktakteure ein.
Der nun veröffentlichte delegierte Rechtsakt beinhaltet einen Katalog an potenziell nachhaltigen Aktivitäten, welche für die genannten Ziele in Frage kommen. Zudem liefert er technische Screening-Kriterien, anhand derer sich konkret beurteilen lässt, ob diese Aktivitäten dann auch als nachhaltig im Sinne der Taxonomie einzustufen sind.
Die enthaltenen Aktivitäten betreffen 40% der gelisteten Unternehmen, welche für fast 80% der direkten Treibhausgasemissionen verantwortlich sind. Darunter fallen u.a. Aktivitäten aus Sektoren wie Energie, Forstwirtschaft, Transport oder Produktion.
Die Kriterien basieren auf der wissenschaftlichen Beratung der sogenannten Technical Experts Group (TEG) on sustainable finance. Deren Vorschläge wurden anhand von umfangreichem Stakeholder-Feedback sowie durch Diskussionen mit dem EU-Parlament und dem Rat überarbeitet. Der nun veröffentlichte Katalog an Aktivitäten und Kriterien wird auch künftig weiter angepasst, um auf laufende Entwicklungen und technischen Fortschritt zu reagieren.
Anzuwenden sind wesentliche Teile der Taxonomie – u.a. Offenlegungspflichten – bereits ab dem Jahr 2022 (für das Geschäftsjahr 2021).
„Die Herausforderungen sind groß. Dazu gehört neben dem engen Zeitrahmen sicherlich auch, zunächst einmal die Anforderungen zu verstehen, die die Taxonomie mit sich bringt. Aber die Anforderungen sind sehr konkret – und das ist gut.“
Sonja Klein, Senior Consultant ESG/Sustainability
ENTWURF ZUR ÄNDERUNG DER CSR-RICHTLINIE
Mit der CSR-Richtlinie, die nach ihrer Umsetzung in nationales Recht (durch das CSR-RUG) zum ersten Mal im Jahr 2018 (für das Geschäftsjahr 2017) anzuwenden war, hatte die EU große Unternehmen im öffentlichen Interesse (kapitalmarktorientierte Unternehmen, Banken und Versicherungen) mit mehr als 500 Mitarbeitern zur Veröffentlichung einer nichtfinanziellen Erklärung (im Lagebericht) bzw. eines nichtfinanziellen Berichts (separat vom Lagebericht) verpflichtet. Darin sind neben einer kurzen Erläuterung des Geschäftsmodells Aspekte zu Umwelt-, Arbeitnehmer- und Sozialbelangen sowie Informationen zur Achtung der Menschenrechte und der Korruptionsbekämpfung zu erläutern. Der Abschlussprüfer hat lediglich die Abgabe dieser Erklärung zu bestätigen, eine inhaltliche Prüfung ist nicht vorgesehen.
Mit dem nun veröffentlichten Entwurf stärkt die EU die Nachhaltigkeitsberichterstattung und bindet sie in die Sustainable Finance-Strategie ein, indem sie die Berichtspflichten der Unternehmen mit den Anforderungen der Taxonomie sowie mit Berichtspflichten von Investoren in Einklang bringt.
Der Entwurf beinhaltet die folgenden wesentlichen Änderungen:
Der Anwendungsbereich wird stark ausgeweitet. Künftig müssen (mit Ausnahme von gelisteten Kleinstunternehmen) alle gelisteten Unternehmen (unabhängig von ihrer Größe) die Anforderungen erfüllen, ebenso wie sämtliche große Unternehmen (unabhängig von ihrem Listing-Status). Die Größenkriterien richten sich nach der Rechnungslegungsrichtlinie (2013/34/EU). Das Größenkriterium Mitarbeiter beträgt demnach nun 250 statt 500 Mitarbeiter. Mit diesen Anpassungen würde sich die Anzahl der Anwender der Richtlinie in der EU von etwa 11.000 Unternehmen auf ca. 50.000 erhöhen.
Der Entwurf konkretisiert die zu berichtenden Inhalte gegenüber der bisherigen Richtlinie. Zusätzlich sollen bis Ende Oktober 2022 einheitliche europäische Berichtsstandards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung entstehen, die die Anforderungen weiter spezifizieren. Das soll in enger Orientierung an international existierenden Standards erfolgen, insbesondere mit Blick auf die Harmonisierung der Berichtsstandards seitens der IFRS Foundation, an der aktuell zahlreiche relevante Standardsetter mitwirken.
„Ein einheitlicher Standard mit konkreten Anforderungen an die Berichterstattung wird helfen, die Nachhaltigkeitsleistung der Unternehmen besser beurteilen zu können. Dabei gilt aus meiner Sicht: Nicht zu viele Angaben fordern. Lieber weniger, diese aber verpflichtend.“
Anke Fischer von Mollard, Senior Consultant ESG/Sustainability
Die Inhalte sind künftig zwingend im Lagebericht zu verorten, die Option eines separaten Berichts an anderer Stelle entfällt. Zudem soll künftig eine inhaltliche Prüfung durch den Abschlussprüfer mit begrenzter Sicherheit („limited assurance“) verpflichtend sein.
Darüber hinaus verlangt der Entwurf eine Veröffentlichung des Berichts im xhtml-Format – im Einklang mit dem European Single Electronic Format (ESEF), das für die Finanzberichterstattung bereits gilt. Danach wären die Nachhaltigkeitsinformationen in den Berichten mit digitalen „Tags“ zu versehen. Ein entsprechendes Kategorisierungssystem soll parallel zu den Berichtsstandards entstehen.
Bei einer Verabschiedung der Richtlinie in dieser Form müssten die Vorgaben zunächst von den Mitgliedsstaaten in nationales Recht überführt werden. Dafür sieht der Entwurf eine Frist bis Anfang Dezember 2022 vor. Anzuwenden wären die Vorgaben dann zum ersten Mal für das Geschäftsjahr 2023.
EIN ANSPRUCHSVOLLER WEG
Mit dem veröffentlichten Maßnahmenpaket unterstreicht die EU ihre Ambitionen im Bereich Sustainable Finance, indem sie ihr Klassifizierungssystem für nachhaltige Aktivitäten konkretisiert und zugleich die verpflichtende Nachhaltigkeitsberichterstattung deutlich ausbaut und in den Kanon von Regulierungsmaßnahmen zu Sustainable Finance stärker einbindet. Auch durch die Vermeidung des Begriffs „nichtfinanzielle Erklärung“ im neuen Entwurf betont die EU die Wichtigkeit der Nachhaltigkeitsinformationen und nähert sie – auch in ihrer Gewichtung – der Finanzberichterstattung an.
„Auf die Non-Financial Reporting Directive folgt die Corporate Sustainability Reporting Directive. Auch der neue Name macht deutlich, dass das Thema an Wichtigkeit gewinnt und dass es statt einer klaren Trennung von finanziellen und „nichtfinanziellen“ Informationen eine ganzheitliche Darstellung der unternehmerischen Wertschaffung braucht.“
Dr. Stefan Hannen, Head of Sustainable Finance
Die ambitionierte Agenda stellt jedoch hohe Anforderungen an die Unternehmen. Das gilt sowohl für die Klassifizierung der Unternehmensaktivitäten anhand der Taxonomie als auch für die Berichtspflichten – zumal diese einen deutlich erweiterten Anwenderkreis betreffen würden. Es empfiehlt sich eine gute Vorbereitung mit entsprechendem Vorlauf. Hierzu ist es hilfreich, dass es einheitliche Berichtsstandards geben soll, welche konkrete Anwendungshilfe bieten sollen und welche das bestehende Nebeneinander verschiedener Berichtsstandards überflüssig machen könnten.
„Noch hat das Nachhaltigkeitsreporting nicht ganz den Stellenwert der Finanzberichterstattung erreicht, aber das ändert sich gerade. Wir merken, dass unsere Kunden umfassend über ihre Unternehmensleistung berichten wollen.“
Philipp Killius, Partner, Head of ESG/Sustainability
ÜBER KIRCHHOFF
Wir entwickeln nachhaltig Werte – für unsere Kunden und ihre Stakeholder. Kirchhoff ist ein Team von Experten in den Bereichen Capital Markets, Corporate Communications und Sustainability. Erfahrung, Kreativität und ganzheitliches Denken zeichnen uns aus. Mit unseren Geschäfts- und Nachhaltigkeitsberichten, bei der Begleitung von Börsengängen, im Bereich der Investor Relations sowie in der Strategieentwicklung und Kommunikation von unternehmerischer Verantwortung sind wir führend.
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